Rezension:

Savatie Bastovoi Der Teufel ist politisch korrekt

Von Magdalena S. Gmehling.

In Zeiten der Werteinflation, der apokalyptischen Verwirrung und der staatlich geförderten mörderischen Impulse legt der rumänische Priestermönch Savatie Bastovoi aus der Republik Moldawien einen bemerkenswerten nur 160 Seiten umfassenden dystopischen Roman vor. Hinter dem Titel:

verbergen sich einige alptraumhafte Szenen. Die Handlung selbst spielt überall und nirgendwo.

Es handelt sich um eine Projektion in die Zukunft. Die Schilderung der „Unterbrechung physischer Funktionen“, also einer perfide ausgeklügelten und perfekt entwickelten, vom Lebensalter abhängigen Euthanasie, beruht auf dem Gesetz 182/110. Sowohl die Mutter, Rosa, der Hauptfigur Jakob Kohner, als auch früher der Vater, Josef, wurden im Alter von 65 Jahren euthanasiert. Das Leben aller Personen, die nur noch „kosten“ und weder als produktiv noch sozialfahig erachtet werden, geht auf eine solch banale und traurige Weise zu Ende.

Jakob Kohner, holt also die Urne seiner Mutter nach Vorladung im Rathaus ab und entrichtet die Gebühr für Einäscherung und Plastikbehälter. Der Taxifahrer, welcher ihn auf seiner traurigen Mission chauffiert, entpuppt sich als jener Vic (eigentlich Alexander), mit welchem Jakob seit langer Zeit im Internet chattet. Beide werden Freunde. Am selben Tag wird ein Päckchen gebracht: das Erbe der Rosa Kohner. Der Inhalt: ein anrührender Brief und eine Bibel. Dieses Buch wird, wie einst das Neue Testament, welches eine barmherzige Frau Dostojewski schenkte, sein Leben verändern. Es stellt sich heraus, dass die Verstorbene, die seit ihrer Einweisung ins Altenheim völlig apathisch ihrem unvermeidlichen Schicksal entgegen dämmerte, plötzlich durch die Begegnung mit einem ungewöhnlichen Mönch zu einem neuen Menschen wurde. Vater Johannes, der wegen eines staatlichen Dekretes sein Kloster verlassen musste, versteckte sich drei Jahre im Wald, wird verraten und im Alter von 64 Jahren und neun Monaten, also kurz vor dem vorbestimmten gewaltsamen Tod, ins Heim Euthanasius gebracht. Seine Botschaft: Wir werden von hier aus „direkt ins Himmelreich“ geboren. Heimlich tauft er Rosa, feiert mit ihr Eucharistie und schenkt ihr seine Bibel. Sie wiederum erinnert in ihrem Abschiedsbrief den Sohn Jakob an seinen Bruder Raul in Israel. Vor 36 Jahren wurde sie zu einer Strafsteuer von 2000 Euro verurteilt, weil sie ein zweites Kind bekam. Dieses Kind (Jakob) war zu kastrieren. Rosas Testament endet mit den Worten: „Christus Gott, der für uns am Kreuz gestorben ist, um uns gemeinsam mit ihm auferstehen zu lassen, wache über Dich! Ich küsse Dich und höre nicht auf, bei Dir zu sein. Ich liebe Dich!“

Savatie Bastovoi versteht es meisterhaft, den aggressiven Atheismus seiner Protagonisten darzustellen. In einem Szenenwechsel führt er den Leser auf die geheimnisvolle Toteninsel, das Eldorado der Reichen und Berühmten. Sie sind vor dem Euthanasiegesetz geflohen und verbringen hier hochbetagt in Saus und Braus ihren Lebensabend, bedient von ephebenhaften Jünglingen und schönen Mädchen, die sich ihren perversen Wünschen beugen. Anschließend werden die Bediensteten im Meer ersäuft. Doch die Gewalt Gottes erreicht das Eiland. Urplötzlich verenden die Einwohner unter grauenhaftem Gestank, zerfressen von Würmern.

Ähnlich ergeht es hochgestellten Persönlichkeiten der herrschenden Regierung. Jakob Kohners Computer befallt ein Virus. Es erscheint in roter Schrift: Das Ende der Welt.

Allgemeines Chaos bricht aus. Der apokalyptische Virus legt sämtliche elektronisch gesteuerten Geräte lahm. Menschenmassen fluten die Straßen, zerstören alles, bringen sich in Panik gegenseitig um. Bei der Beseitigung der Leichenberge wird in Regierungskreisen zynisch sogar Kannibalismus erwogen.Vic (Alexander) holt den traumatisierten Jakob Kohner zu sich nach Hause, in eine Art Enklave, verbunden mit einer Untergrundkirche. Seine hochbetagte Mutter lebt verborgen hier und sorgt mit einfachster aber gesunder Kost für alle. Geleitet wird die Gemeinschaft, zu welcher einst auch Vater Johannes gehörte, von seiner Exzellenz, einem würdigen alten Bischof. Er wird Jakob auf dessen Wunsch hin in der Osternacht taufen. Prophetisch deutet der heilige Mann dem Neophyten die Zukunft: „Das Ende der Welt wird nicht mit einer großen Katastrophe kommen ... sondern mit dem dämonischen Wunsch, zu töten ... Die Bosheit wird den Menschen dazu bringen, sich selbst zu zerstören. Dann, wenn der letzte Mensch, der zu lieben fähig war, getötet worden ist, wird das Leben auf der Erde seinen echten und einzigen Sinn verloren haben: zu lieben ... Denn wenn die Liebe von der Erde verschwindet, werden die Menschen dem Teufel vollständig ausgeliefert sein ... weil er, dessen höchste Freude es ist zu töten, sie alle umbringen wird.“

Der unbeschreibliche Friede, welcher Jakob Kohner umfangt, wird jäh durch die Rückkehr seines Bruders Raul und dessen Geliebten gestört. Selbstlos überlässt er dem schwulen Paar seine Wohnung. Gänzlich dem Gebet und der Betrachtung hingegeben, hat er jegliches Interesse an der modernen Welt, an Computern und digitalen Medien verloren.

Seine Exzellenz weiht vor seinem Tode Alexander zum Priester und erteilt Jakob auf dessen Wunsch hin den Segen, in den Fußspuren des Vaters Johannes im Altenheim zu wirken.Nach der brutalen Abholzung blühender Kirschbäume, den letzten Symbolen von Schönheit und Freiheit, durch gehirngewaschene Kindertrupps, verödet der Garten des Fleimes. Die teuflische Korrektheit ergreift die absolute Kontrolle. Und Jakob Kohner?

„Man sagt, dass Jakob Kohner nie gestorben ist. Eines Nachts wurde er gesehen, wie er aus dem Garten gen Himmel flog. Wer dies genau gesehen hat, lässt sich nicht mehr sagen, aber dieser Glaube verblieb für immer unter den Bewohnern des Euthanasius-Heimes.“

Diese Rezension erschien in der Theologisches, Ausg. 1+2, 2022. verlag nova & vetera e.K., Estermannstr. 71, 53117 Bonn