„Von der Dekonstruktion der Welt“

von Werner Olles 

Die erste Ausgabe (Sommer 2022) von Crisis, dem vierteljährlich erscheinenden „Journal für christliche Kultur“, befaßt sich mit den Schwerpunktthemen „Transhumanismus“ und „Digitale Transformation“, die aus politischer, kultureller, ökonomischer und theologischer Sicht analysiert werden. Herausgegeben und redigiert wird die Zeitschrift von zur Orthodoxie konvertierten Christen, die Autoren sind Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete und orthodoxe Geistliche. Im Vorwort betont die Redaktion, daß alles auf einen bevorstehenden „Untergang des Abendlands“ und „ein Ende des Westens als wirtschaftlich-politischer und kultureller Machtfaktor im Weltgefüge“ hindeute. Bereits Spengler habe „das Ende der europäischen Kultur in der stetig wachsenden Tyrannei, wie auch in technokratischen Regierungen gesehen“. Seit einem Jahrzehnt seien wir Zeugen der „Umgestaltung der westlichen Gesellschaften durch die Zerstörung traditioneller Werte und der Nivellierung von Prägung und Kultur unter dem Deckmantel einer allerorten gleichen „Diversität“.Der Wirtschaftswissenschaftler Walentin J. Katasonow beschäftigt sich mit der Demontage des alten Kapitalismus und seinem Ersatz durch den Stakeholder-Kapitalismus, der von den Ideologen des „Great Reset“ ausgehe. Man müsse dieses Revolutionsmodell präzise benennen, denn es habe wahrscheinlich ein „Sklavenhalter-System“ in globalem Maßstab zum Ziel. Er verweist er auf die Offenbarung des Apostels Johannes und enträtselt das Bild der „Hure Babylon“ als das moderne Amerika, das am Rande des Zusammenbruchs stehe und seinen Staus als globale Supermacht verliere. Danach beginne die Phase eines einheitlichen Weltstaates, während in den zu Diktaturen umgebauten Staaten die Bürger online überwacht werden.

Dystopisch beschreibt auch Sebastian Bischof von Slatinei und Romanatilor den „Großen Umbruch“, der eine „Dekonstruktion der Welt in allen ihren Aspekten“ darstelle. Der Geistliche erinnert daran, daß die Menschheitsgeschichte voller Beispiele großer Zivilisationen sei, die zusammenbrachen, weil sie „vom Kult der Selbstvergottung und des moralischen Libertinismus verschlungen wurden“. Den Transhumanismus bezeichnet der Priester Zecharih Lynch als „Religion des Untergangs“. Im Mittelpunkt seines Dogmas stehe die Künstliche Intelligenz, die jedoch eine „Säuberung des Gen-Pools“ voraussetze. Die transhumanistischen Ideologen Jacques Attali und Yuval Noah Harari verkündeten, daß Organismen Algorithmen seien und „Giraffen, Tomaten und Menschen nur unterschiedliche Methoden der Datenverarbeitung“. Einen eigenen Sinn hätten der Mensch und seine Erfahrungen nur, wenn sie den Datengott füttern. 

JUNGE FREIHEIT Ausgabe 36 vom 2.09.22