Rezension:

Savatie Bastovoi Der Teufel ist politisch korrekt

Von Hans Jakob Bürger

Auf dem Bucheinband ist zu lesen, dass der französische Sozialist und Wirtschaftswissenschaftler Jacques Attali, der für den früheren französischen Staatspräsident François Mitterrand als Berater fungierte, diesen Satz schrieb: „Euthanasie wird ein wesentliches Instrument unserer kommenden Gesellschaft werden.“

Ein Buch über die Euthanasie, über innovative Euthanasie – kein Sachbuch, sondern ein Roman. Ein Roman der aufrüttelt. Er wurde geschrieben von dem Priestermönch Savatie Baștovoi. Der moldawische Theologe, Philosoph und Maler, arbeitet gleichermaßen als Autor und Publizist. Er lebt in einer Einsiedelei in der Republik Moldawien. Der Titel dieses Buches passt: „Der Teufel ist politisch korrekt“, denn es ist die Kaste der Volksvertreter, die Gesetze erlassen, welche Menschen töten können.

Ein Postbote überbringt Jakob Kohner einen behördlichen Brief, in dem es heißt:

„Mit vorliegendem Schreiben bringen wir Ihnen zur Kenntnis, dass, gemäß Gesetz Nr. 182/110, betreffs der Unterbrechung der physischen Funktionen von zum sozialen Leben unfähigen Personen, Ihre Mutter, Frau Rosa Kohner, heute, am 12. April um 9:40 Uhr euthanasiert wurde. Das Gesetz wurde aufgrund der Erfüllung des 65. Lebensjahres der Bürgerin Rosa Kohner angewendet (dem Höchstalter, bis zu dem eine Person eines sozialen Lebens für fähig erklärt werden kann). Die Gebühr von 202 EUR für die medizinische Prozedur (die auch die Einäscherung einschließt) ist innerhalb der nächsten Tage, d. h., bis zum 17. April im Rathaus zu bezahlen. Die Urne mit der Asche der Bürgerin Rosa Kohner kann gegen Zahlung der Gebühr von 35 EUR (30 EUR für die Urne und 5 EUR für die Einäscherung) ebendort abgeholt werden.“

Jakob Kohner ist der Sohn von Rosa und Josef Kohner. Vater Josef sagte schon vor viele Jahren, als er von diesem Gesetz aus der Zeitung erfuhr, zu seiner Frau: „Es ist ein Wahnsinn!“ Er fragte sich: „Wohin bewegt sich die Menschheit?“ Sie antwortete ihm nur: „Besser, man geht beizeiten, als dass man ein altes Wrack wird, das niemand mehr braucht.“ Doch Jakob schien es, als habe das Leben für ihn „noch gar nicht wirklich begonnen". Beide ahnten nicht, dass Josef schwer erkranken und „gemäß Gesetz 182/11 0“ im „Euthanasius-Heim“ euthanasiert würde.

„Die traurige Geschichte von Josef und Rosa Kohner“ spielt sich in keinem bestimmten Land ab. Kein Staatsgebilde wird vom Roman-Autor Savatie Baștovoi bevorzugt. Er schreibt ehrlich und eindrucksvoll, und der Ort des Geschehens könnte überall sein. Nachvollziehbare Dialoge lassen den Roman lebendig, ja dramatisch vor den eigenen Augen erscheinen. 

Bald nach dem Tod ihres Mannes wird Rosa „ins Altenheim gebracht“. Hier verändert sie sich sehr stark, zieht sich in sich selbst zurück und redet nur wenig. Sie sinnt über ihr ganzes Leben nach und versucht, ,,den bisher unverstandenen Sinn zu ergründen“. Erst in der Begegnung mit „Vater Johannes“, einem ungewöhnlichen Menschen, taut sie ein wenig auf. An dieser Stelle wird aus dem Roman auch ein Buch über den Glauben.

Vater Johannes ist nie traurig oder undankbar. Er sagt, die Menschen würden von hier, vom Heim aus, ,,direkt ins Himmelreich" geboren werden. Und gelegentlich wird er dabei überrascht, wenn er „über einem Becher Wein und einem Stück Brot“ betet und beides als „den Leib und das Blut Christi“ empfängt. Ihm habe es Gott nie an Hilfe fehlen lassen, meint er zu Rosa, während sie bezeugt, dass man ihr „gezeigt habe“, dass Gott „nicht existiert“. Es entspinnen sich Glaubensgespräche, in denen sich die Gesprächspartner immer mehr öffnen. Vater Johannes war Mönch, musste aber wegen eines staatlichen Dekretes das Kloster verlassen. Er versteckt sich in den Wäldern, wird entdeckt, verraten und verhaftet. Jetzt ist er 64 Jahre und neun Monate alt. Ihm bleiben noch drei Monate bis zum Tod nach „Gesetz 182/11 0". Es ist nicht viel Zeit. Bei aller Traurigkeit lernt Rosa von Vater Johannes: „Wenn wir Glauben und ein wenig Liebe haben, dann gehen wir vom Tod ins Leben über.“

Rosa Kohner hat noch Zeit, ihr Leben zu ordnen und seinen Sinn zu verstehen. Die Kohners hassen die politische Klasse, können sich jedoch kaum von ihr distanzieren. Als Rosa noch jung war und das Euthanasie-Gesetz bereits seit 36 Jahren bestand, wurde eine Steuer in Höhe von 2000 Euro für das zweite Kind eingeführt, das geboren wurde. ,,Rosa Kohner hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Kinder und wünschte sich noch zwei weitere:' Bald gab es wieder ein neues Gesetz: das „Recht auf Nachfahren". Es erlaubte nur dem Erstgeborenen, ein Kind zu bekommen. Wenn wirklich ein zweites Kind geboren würde, sei dieses zu kastrieren.

Savatie Baștovoi lässt es damit noch nicht genug sein. Natürlich gibt es zu diesem Szenario auch eine Diskrepanz. Politiker „und allgemein alle wohlhabenden Menschen" sowie jene, die irgendwann einmal für die „Legalisierung der Euthanasie für Personen über 65 Jahren" gestimmt hatten, erschaffen sich auf einer Insel „ein Paradies der Alten". Hierhin ziehen sie sich zurück, ,,um dort in Beschaulichkeit ihren hässlichen Le bensabend zu verbringen". Natürlich waren sie „der Aktenlage nach tot“. 

Der Autor deutet an, dass es die Hölle auf Erden geben muss: „Was aber für die gealterten Kriminellen der Himmel auf Erden zu sein schien, war für die dorthin verbannten jungen Menschen, die sie bedienen sollten, die Hölle. Junge Frauen und Burschen, gerade erst erwachsen geworden, wurden auf der Insel geknechtet, um die tollkühnen Wünsche dieser Dämonen mit menschlichem Antlitz zu erfüllen.“ 

Nicht erst seit heute gibt es die Auffassung, auf der Welt gäbe es zu viele Menschen. Das Nachdenken über die Reduzierung der Weltbevölkerung ist nicht neu. Schon vor Jahrzehnten wurde gesagt, dass der Mensch spätestens ab seinem Rentenbeginn „nicht mehr rentabel" sei, denn spätestens zu diesem Zeitpunkt sei er „für die Gesellschaft" zu teuer (Ed. Seghers 1991). Darum sei es besser, wenn „die menschliche Maschine eher plötzlich stoppt, als dass man einem fortschreitenden Verfall entgegensehen müsse“.

Falsche Werte der modernen Welt zeigen ihr wahres Gesicht. Der Roman voller Grausamkeit und Aufrichtigkeit deckt sie auf: Abtreibung, sexuelle Verwirrung und Euthanasie sind keine Errungenschaften eines freien Menschen, vielmehr Ausdrucksformen eines aggressiven Atheismus sowie einer teuflischen politischen Korrektheit. 

Diese Rezension erschien in der Kirchlichen Umschau, 24. Jahrgang, Nr. 10, Oktober 2021