
Beim Lesen von Vater Nicolae Steinhardt spürt man auf jeder Seite seine Freude, Christ zu sein; die Chance, die Ehre und den Segen gehabt zu haben, Herrn Jesus Christus begegnet zu sein, und zwar im selben erstrebenswerten Zustand, in dem der Erlöser der ganzen Menschheit diente: in Demut. Seine Taufe fand im Gefängnis, „aus madigem Wasser und schnellem Geist“ statt, wie der Vater in seinem berühmten Tagebuch der Freude schreibt.
Sein wunderbares Meisterwerk, vielleicht das beste rumänische Buch seit der Wende 1989 wird mittelfristig der deutschen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Bis dahin ist schon jetzt eine kleine Vorkost des Schaffens des geliebten Vaters verfügbar, die löffelweise an Sonn- und Feiertagen eingenommen werden kann: das Buch der Predigten Der Gebende erhält‘s. Anstelle einer Rezension bat ich den Übersetzer Călin Hoffmann um ein Interview über sein persönliches Treffen auf Vater Steinhardt beim Lesen und in geistlichen Themen, doch vor allem über die Schwierigkeiten und gleichzeitig die Freude, sein Werk ins Deutsche zu übersetzen.
Vielleicht ist es angebracht, noch etwas zu gestehen. In einem schwierigen Moment meines Lebens traf ich auf den Heiligen Siluan von Athos. Er ließ mich im guten Sinne mit dem Kopf gegen die Wand rennen, um mir zur Wirklichkeit zurück zu helfen („Behalte deinen Geist in der Hölle und verzweifle nicht!“). Doch derjenige, der mich beruhigte und mich dazu brachte, das Licht am Ende des Tunnels zu erahnen, war Steinhardt – ich scheue mich nicht, ihn auch als einen Heiligen zu betrachten.
C. H.: Oh, ja, es war schwer, manchmal bin ich schier verzweifelt. Hier sind zwei Beispiele: Bei der Predigt zu Christi Himmelfahrt hat seine Ausdrucksweise mich derart vor den Kopf gestoßen, dass ich als blutiger Anfänger zwei Tage außer Gefecht gesetzt wurde. Auf Rumänisch: „Erhöhung der Metapher auf den Rang von Signifikantem mit dem Sinn von Signifikatem“. Nach einer Weile erkannte ich, dass es sich irgendwie um einen Pleonasmus handeln musste, der Sinn der Bedeutung, des Inhalts. Ich lächelte still: „Schemá Israel, Vater Steinhardt, hast Dir wohl keinen besseren Übersetzer leisten können?“ Schließlich das Ergebnis: „Erhöhung der Metapher zur sinnhaften (Sprach)Form.“
Das andere Beispiel kostete mich mehrere Tage. Dieses Mal war es ein theologisches Thema. Die Übersetzung neigte sich dem Ende zu. Die letzten drei Kapitel des Buches sind randvoll, überquellend vor Gnade und sind somit noch schwieriger zu übersetzen. Im Kapitel Zwei Anbetungen, die man nicht aufgeben sollte: Die Verherrlichung des Kreuzes und der Gottesmutter ging es um die Kenosis des Kreuzes. Hier hatte ich umfangreiche Unterhaltungen mit meinem geistlichen Vater. Heraus kam dann Folgendes: „Kenosis = Verzicht auf die Ausübung der göttlichen Eigenschaften. Da Jesus am Kreuz starb, gehört das Kreuz zu Gott; man kann also nach der orthodoxen Dogmatik das Kreuz als vergöttlicht, theophor betrachten. Ähnlich ist die Anbetung der Heiligen Gottesmutter zu verstehen: Weil sie Gott umfasste, wurde die Jungfrau ebenfalls vergöttlicht, verherrlicht.“
Ich hatte das Bedürfnis, diesen Hintergrund deutschen (auch orthodoxen) Lesern in der einzigen umfangreichen Fußnote zu erklären, auch wenn es eine Nummer zu groß für mich ist. Ich hatte auch das Gefühl, dass Manches unbeschreiblich ist oder sich bestenfalls nicht klar ausdrücken lässt...

Beim Kirchweihfest der rumänischen orthodoxen Pfarrei in Erlangen, St. Peter und Paul, als wir beim traditionellen Festessen über die Übersetzung sprachen, sah Pfarrer Kyrill, mein geistlicher Vater, mir plötzlich in die Augen und fragte: „Warum übersetzt du es nicht selbst?“
So verfügte der Herr, dass das Anfangsdatum der Übersetzung die Feier der Heiligen Aposteln Petrus und Paulus wurde.
Ich möchte noch etwas erzählen. Zu Beginn der Übersetzung war ich irgendwie verärgert: Wieso muss ich als Ingenieur die Arbeit von Theologen und Linguisten erledigen?! Schlafen die denn alle?! Gegen Ende begann ich das Ganze als Mysterium zu betrachten: Nicht sie schliefen, sondern ich. Vielleicht hat Gott auf mich gewartet, dass ich aufwache und endlich mit der Übersetzung anfange. Vielleicht bestand Er geduldig darauf, mir dieses wundervolle Geschenk zu machen, das ich, blind und töricht, nicht wollte...

Gestatten Sie mir, als Bestätigung Steinhardt noch einmal zu zitieren, diesmal aus 365 Antworten des Mönchs von Rohia. Hier ist jene auf die Frage 311:
„Die 4 christlichen Hauptgebote:
- glücklich sein;
- Gott grenzenlos, andauernd und von Angesicht zu Angesicht lieben können;
- sich selbst so wiederfinden, wie man entworfen wurde, ohne das anschließende Eingreifen der Sündhaftigkeit;
- das dem Menschen eigenste Merkmal erleben (wie Unamuno bemerkt): die Sehnsucht nach Ewigkeit.“
Abschließend erlauben Sie mir bitte noch ein Zitat über Steinhardt:
„Ich lernte Nicu Steinhardt über die Familien Șora und Toma kennen: Er war eine richtige Entdeckung schon an diesem ersten Abend im Restaurant des Hauses der Wissenschaftler. Die große Güte des kürzlich Bekehrten verströmte eine Aura von Heiligkeit. (Ich wollte ihn fast mit dem großen Bildhauer Gheorghe Anghel vergleichen, (…) einem zutiefst ruhigen, außerordentlich sicheren, stillen und weisen Mann.) Diese Heiligkeit war verbunden mit einer schelmischen Intelligenz, einer steten Freude und mit der Fähigkeit, schnell und direkt zum Kern, d.h. zu intellektuellen Essenzen zu gelangen. (Letztere Eigenschaft stellte ich auch bei Noica, Eliade, Papu fest.) Das Vergnügen an Literatur und Ideen war spontan, zügellos, tänzelnd, explosiv. Erst in den letzten zehn Jahren seines Lebens gelang es ihm, diese zwei Seiten in seinem Werk zu vereinen und einer der wichtigsten religiösen Schriftsteller Rumäniens zu werden. Soweit erkennbar, zog mich auch seine politische Philosophie an: irgendwo zwischen kosmopolitischem Liberalismus und existenzialistisch-individualistischen rechten Optionen, wie ich sie auch mochte.“ (Virgil Nemoianu, Innerer Archipel)
Hierom. Ioan Dumitru Popoiu veröffentlichte das Interview mit dem Übersetzer, Hr. Călin Hoffmann, ursprünglich mit dem Titel „Vater Steinhardt - jetzt auf Deutsch erhältlich” auf dem rumänisch-orthodoxen Nachrichtenportal „Doxologia” in Jassy.