Die Freiheit der Kinder Gottes

von Erzpriester André Sikojev

I. Spätestens 2019 erkannten viele Christen und orthodoxe Gläubige im deutschsprachigen Raum in Rod Drehers fulminanter Gemeindevision Die Benedict-Option einen wichtigen neuen Beitrag für einen Diskurs über die Strategie kirchlichen Lebens, und dies im Hinblick auf einen schon längst wahrgenommenen tiefgreifenden Paradigmenwechsel im Verhältnis von Kirche und Staat – innerhalb des westlichen, finanzkapitalistischen, anglosächsischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells. Zwei Grundaxio-me Drehers seien erinnert. Erstens, wir leben nicht mehr in antichristlichen oder christenfeindlichen Nationen, sondern in der Epoche nachchristlicher Staaten. Ein Kampf gegen deren Gesetze, Ideologien und Maßnahmen ist sinnlos, weil überholt: um zu (über)leben muss der (orthodoxe) Christ insgesamt auf den Erfahrungshintergrund und die Lebenspraxis des orthodoxen Mönchtums und der Klostergemeinschaften zurückgreifen und diese Gemeinschaftsmodelle des Gebets, des Dienstes, der Arbeit, des Lernens auf möglichst hohem Niveau in der weltlichen Umwelt der Kirchengemeinde umsetzen.

Der offensichtliche Zusammenbruch des illusorischen Wohlstandskapitalismus auf Kosten Dritter und der sozialen Wohlfahrtssysteme seit 2008, die heraufziehende Krise des unipolaren Globalismus, der Verlust der meisten bürgerlichen Rechte (in Deutschland per IfSG) und die systematische massenhafte Diskriminierung nahezu aller Bevölkerungsschichten und sozialer Gruppen ab 2020 erschienen auch vielen orthodoxen Kirchen und ihren Gläubigen, egal welche Haltung sie zu den getroffenen verfassungsfeindlichen Maßnahmen eingenommen hatten, als Menetekel einer neuen Epoche.

Wir fragen: welche Bedeutung haben das hemmungslose Gender Main-streaming, das offensichtliche Ende des Finanzkapitalismus, die offengelegte Herrschaft von wenigen hundert Oligarchengruppen über 90% des weltweiten Vermögens, die systematische Verarmung des Bauerntums, des Handwerks, der Mittelschichten und Selbständigen, die quasi-Okkupierung von Steuerhaushalten durch Industrie- und Finanzgruppen, die damit einhergehende skrupellose Privatisierung ganzer Bereiche der Volkswirtschaft (Gesundheit) und des Volksvermögens (Wasser, Grund und Boden), die brutale Entmündigung von Eltern, Familien, Alten, Jugendlichen und Kindern in den Bereichen der Bildungs- und Persönlichkeitsrechte, der Raub an Lebensjahren und Bildung einer ganzen heranwachsenden Generation, die flächendeckende Kriegs- und Rassen-propaganda – für unser Leben als Christen, als Gemeinde und als Kirche im Ganzen?

Haben alle diese Prozesse das eine Ziel – vor dem Hintergrund einer mächtigen neuen technologischen Revolution einerseits und der gelenkten Abschöpfung aller Vermögenswerte von unten nach oben andererseits, mittels der Kriege, künstlicher Preiserhöhungen und Energiedefizite –, den Aufbau eines neuen globalen Zentralfinanzsystems im Interesse einer „Goldenen Million“ von Menschen zu gewährleisten? Steht uns eine globale Sklavenhaltergesellschaft 2.0. bevor, wie es Prof. Dr. Katasanov 2021 analysierte?

Die Programmierer und Vakzinierer des Great Reset haben in den letzten drei Jahren bewiesen, dass ihnen das Glück und die Lebenspläne ganzer Generationen völlig gleichgültig sind: ausgestattet mit der siegreichen Ideologie des Transhumanismus, des linguistischen Relativismus als Alltagspraxis und der Vision der alles beherrschenden Künstlichen Intelligenz (KI) als perfektes Marketingziel zur totalen Unterdrückung aller. Wir erleben darüber hinaus seit längerem die Etablierung des medizinisch-pathologischen „Debilen“-Psychotyps sowohl als Modell des idealen Politikers wie auch als Muster für ein Millionenpublikum im diskursfreien öffentlich-rechtlichen Medienparadies – gespiegelt von zentralistisch modellierten sozialen Netzwerken zur digitalen Entscheidungssteuerung eben dieser Volksmassen.

Die wiederholte Aufzählung aller dieser ausführlich und wissenschaftlich historisch beschriebenen Entwicklungen und Hintergründe hat zum Zweck die Frage zu erhellen – hat die Kirche es noch mit einem Staat althergebrachter und erlernter klassischer Definition zu tun, historisch betrachtet: dem Zentralstaat nach byzantinischem Modell, dem vatikanischen Papststaat, dem italienischen Verfassungsstaat der Renaissance, dem französischen Staatshaushalt, dem europäischen Ordnungs- und Gewaltenstaat und dem Staat der Moderne? Oder haben wir es hier mit einem „Staatskosmos“ zu tun, dessen Gesetze schon längst von anderen Kräften definiert werden, welche nunmehr die Epoche der Apokalypse eingeläutet haben, wie es z.B. S. E. Onufrij (Beresowskyj), orthodoxer Metropolit von Kiew und der Ukraine 2021 warnend feststellte. Er steht dabei mit seiner geistlichen Analyse durchaus nicht alleine.

Der nachfolgende Essay soll daher in apologetischer Form die Freiheit der Kirchen gegenüber den Mechanismen und sich offenbarenden exekutiven Vektoren dieses womöglich neuen Staatsphänomens nachzeichnen und systematisieren. Die Kenntnis der Leser hinsichtlich der grundlegenden Unterscheidung von Kirche als Leib Christi und Ihm als Haupt einerseits und von sozialen und Herrschaftsmodellen der Staats- und Weltordnung andererseits (gr.: κόσμος) wird dabei ebenso vorausgesetzt wie die Lehre Christi vom niedrigsten Dienst „der Ersten“ an allen in der Kirche – im Unterschied zu den bedrückenden Herrschaftsmechanismen der „Fürsten und Könige“ – die Lehre Seiner universalen apostolischen Kirche, als einer völker- und epochenübergreifenden gottmenschlichen Persönlichkeit, das „Königtum der Himmel“ hier auf Erden.

S. H. Patriarch Tichon

Das historische Verhältnis zwischen der Kirche und dem Staat, der jeweiligen Weltordnung, hat seit dem Leben und Wirken Christi im Heiligen Land viele verschiedene Formen und Zustände durchlaufen. Sie reichen von Triumph und Mission bis Unkenntnis und Ignoranz im 1. Jahrhundert, von der massiven religiösen Verfolgung und Diskriminierung im Römischen Reich bis zur Konstantinischen Wende 313, von einem lang anhaltenden und von vielen Kataklysmen, Genoziden und externen und internen Kirchenverfolgungen durchsetzten Neben-, Mit- und Gegeneinander von Staat und Kirche in der Byzantinischen Epoche bis zum Fall Konstantinopels 1453. Die tausendjährigen russischen und weitestgehend orthodoxen Herrschaftsepochen seit Aufstieg der slawischen christlichen Reiche fanden ihr Ende wie bekannt 1917 in der blutigen Hochzeit von Weltkrieg und Revolution. Kirchenrechtlich (und auf mystische Weise) endeten sie jedoch bereits zweihundert Jahre zuvor, als Peter I. 1717 die Abschaffung des Patriarchats als pastorales Ordnungs- und Leitungsprinzip der Kirche durchsetzte.

Seit dem Toleranzedikt von Mailand 313 und der anschließenden Durchsetzung der Orthodoxie durch den Hl. Apostelgleichen Kaiser Konstantin als Leitreligion des neuen Römischen Reiches mit seiner Hauptstadt im Osten wurde der Raum des einst Christus abgewandten Staates in allen seinen zeitlichen Dimensionen verkirchlicht: Militär, Recht, Diplomatie, Wissenschaft, Kunst und Kultur wurden ebenso zu multiplen missionarischen Vektoren wie insgesamt der Auftrag Christi an alle seine Nachfolger, verantwortlich „alle Völker zu lehren“, sie auf die Eine Heilige Dreiheit Gottes zu taufen und sie zu lehren, „alles zu halten, was Ich euch geboten habe“.

Unüberhörbar erschallen von da an die Worte Christi, Wahrer Gott und Ewiger Logos, eins mit Gott Vater: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden.“ Christus offenbart sich in der Zeit als Gott der Geschichte, als Herr der „Fülle aller Zeiten“. Es gibt also per se keine Macht über Ihm oder gleich Ihm. Der Teil der Weltordnung, des Kosmos, der Gesellschaften und Staaten und Mächte, die Ihm nicht folgen werden, nicht Ihm dienen, nicht Seine Gesetze lehren, Seinen Schülern nicht Einlass gewähren, diese werden auch kein Leben in Ihm haben. Sie werden letztendlich untergehen in der Finsternis, wo „sein wird Heulen und Zähneklappern“.

Diese Gewissheit hat die Kirche und ihre Heiligen über alle Völker und Jahrhunderte hinweg motiviert und vergewissert, mit den Personen und Strukturen dieser weltlichen Mächte und Reiche in einem ständigen Dialog zu stehen, zu dienen, zu erziehen, zu definieren, zu streiten, zu widersprechen und wenn nötig – sich um den Preis des eigenen Lebens zu opfern. In der Moderne haben bekanntlich aus kirchlicher Sicht erst der Untergang und die Zerstörung des orthodoxen Zarenreichs und der Aufstieg des neuen Staatsimperiums Sowjetunion im 20. Jahrhundert das Verhältnis von Staat und Kirche in völlig neue Spannungsfelder geworfen. Am Scheitelpunkt dieser Katastrophe erfolgte indes auf dem Jahrzehnte vorbereiteten Gesamtrussischen Konzil 1917 das entscheidende zukunftssichernde Ereignis: die Wiederherstel-lung des Patriarchats und die Wahl des Hl. Neomärtyrers Tikhon (Bellavin) zum Patriarchen von Moskau und ganz Russland! Diese hochkomplexe historische Entwicklung kann hier nur gestreift werden. Wesentlich ist: die Kirche wurde von da an systematisch mittels Staatsterror verfolgt, aus dem öffentlichen Leben verdrängt, verfassungsmäßig und ideologisch diskriminiert und in mehreren staatlich konzipierten Verfolgungswellen massiv dezimiert und zerstört.

Der zwischenzeitlichen Anerkennung der synodalen Kirchenleitung nach Veröffentlichung einer „Loyalitäts-deklaration unter Metropolit Sergij (Stragorodzkij) 1927 folgten die Zuspitzung terroristischer Kirchenpolitik 1934 einerseits, aber zugleich die von Stalin in der neuen Verfassung 1936 zugelassene „Freiheit religiöser Kulthandlungen“ wie auch das Wahlrecht von Klerikern und Gläubigen. Der anschließende Terror 1937–1939 vernichtete zehntausende Leben russischer Kirchendiener und orthodoxer Laien und zerstörte bis 1939 nahezu alle Kirchengebäude des Landes bis auf wenige hundert.

Der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion 1941 konsolidierte das zerrüttete Verhältnis von Kirche und Staat. Am 4.9.1943 empfing Stalin Sergij und drei weitere Bischöfe und machte den Weg frei für eine Landessynode und die Wahl Sergijs zum zwölften Patriarchen Russlands. Ungeachtet der kirchenpolitischen und kanonischen Kontroversen waren diese Wegmarken von äußerster Wichtigkeit. Ohne das Konzil von 1917 hätte Stalin nicht nur keine potentiell funktionierende Struktur vorgefunden, welche dem staatlichen Patriotismus im Kampf gegen Nazideutschland und Wehrmacht geistig und spirituell hätte beistehen können, es hätte auch keinen „Sprecher“ gegeben, welcher der Volksseele in ihrer größten Not den kongenialen Trost und kirchlichen Segen für seinen Opfergang zur Befreiung der Heimat gegeben hätte.

Ebenso hätte es ohne 1917 keine Auferstehung der Kirche 1991 gegeben: auf der konziliaren und kanonischen Grundlage von 1917 schied sich der Weg der orthodoxen Märtyrer von allen Varianten des Synkretismus, des „Erneuerertums“ und der Staats-unterwerfung. Auf dieses Konzil nahmen die Bischöfe und Gemeinden der Emigration ebenso Bezug wie jene Starzen und Priester Russlands in den russischen Klöstern und Einsiedeleien, welche oft selbst durch das Feuer des Weltkrieges gegangen waren und später das Evangelium durch die Epoche des triumphalen Sowjetimperiums getragen hatten – um schließlich ab Anfang der 90er Jahre zu lebendigen Ecksteinen der Wiederauferstehung der Russischen Kirche zu werden.

Überspringen wir die anschließende mittels US-Notenbank auf Pump finanzierte neokoloniale Epoche der unipolaren Weltetablierung, welche sich mit den (nachvollziehbaren und belastbaren) Hoffnungen der Kirchen auf einen konstruktiven Dialog mit den Staaten sowohl des Westens, Russlands, aber auch Osteuropas, Asiens und des Nahen Ostens verband. Diese Hoffnungen erstarben bis 2015 in diversen Bürgerkriegen, Terroranschlägen, Blumen- und Orangenen Revolutionen, Arabischen Frühlingsgewittern, globalen NATO-Kriegen und massiven finanzpolitischen Krisen (außen) und der Etablierung eines (offensichtlich) langfristig und weltweit geplanten, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Umbaus der globalen Welt.

II. Vor welchen Herausforde-rungen bzw. Fragestellungen steht also die Kirche hinsichtlich wichtiger staatlicher Schlüssel-themen in dieser zu Teilen antichristlichen und im Wesen nachchristlichen Epoche:

Legitime Herrschaft, demokratischer Parlamentarismus und Gewalt-monopol des Staates werden systematisch von weltweit agierenden Lobbystrukturen im Interesse der Finanzindustrie, der Pharmaindustrie, der Computer- und Microchipindustrie, der Rüstungsindustrie und der Online-Industrie unterlaufen und abgelöst.

Gegen den Willen eines Großteils der deutschen Bevölkerung (zwischen 30-50%) wurden seit 2020 medizinische Zwangsmaßnahmen und wissenschaftlich nie begründete Massentherapien auf Kosten der Steuerzahler mit hunderten Milliarden Euro finanziert und mittels nachgelieferter Gerichtsentscheidungen (IfSG u.a.) vor Haftungsansprüchen geschützt.

Im Februar 2022 wurde von der Bundesregierung unter dem Vorwand des „Kampfes für Demokratie und Frei-

heit“ ein 100 Milliarden Rüstungs-programm erlassen, die jahrzehntelang aufgebaute Energiepartnerschaft mit Russland beendet und mit weiteren hunderten Steuermilliarden (Bund und EU) die US-Frackingindustrie aus ihrem 300 Mrd. Dollar tiefen Minus herausgeführt.

Gigantische Umsatzverluste der deutschen Mittelstandsindustrie werden in Kauf genommen und der Wille der deutschen Bevölkerung a) zum Frieden mit Russland und b) zu einer gerechten und bezahlbaren Sozialordnung ignoriert und lächerlich gemacht. Dass die Ukraine zu den weltweit korruptesten und totalitärsten Regimes zählt, wird nicht einmal mehr erwähnt.

Steuerpolitik wird mehr und mehr als Instrument der Ausbeutung und Umverteilung von erarbeitetem Besitz sowie als Zwangs- und Umerziehungs-

instrument der Bevölkerung eingesetzt. Welche kirchlichen Modelle zur Finanzierung der Kirchen und Gemeinden und zum Schutz der Gläubigen könnten also erarbeitet werden im Angesicht von Massenverarmung, Arbeitslosigkeit und inflationär steigenden Lebens-haltungskosten?

Was geschieht, wenn im Angesicht der für die kommenden Jahre geplanten „Lastenausgleichsgesetze“ das in Generationen (auch durch die Emi-granten der 90er Jahre und also kirchliche Gemeindeklientel der serbischen, griechischen oder russischen Kirche) angesparte Familienvermögen sowie alle Immobilien um 30-40% entwertet und durch Abgabenpflichten unbezahlbar werden?

Gibt es soziale Befragungen hinsichtlich der Pläne vieler Familien, Deutschland und damit ihre hiesigen Heimatgemeinden wieder zu verlassen, nicht nur um Besitzstände zu wahren, sondern auch um ein frei bestimmtes, von Russophobie, Serbenhass oder Gender Mainstreaming freies Leben nicht zuletzt für ihre Kinder zu sichern? Kaum eine Gemeinde, in welcher solche Diskussionen nicht geführt werden und in welcher nicht bereits die Abwanderung Richtung Serbien, Griechenland, Belarus und Russische Föderation begonnen hat.

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Welche Herausforderungen erwarten die orthodoxen Kirchen angesichts immer wieder neuer Wellen von jahrelang auf Sozialhilfe und staatliche Versorgung angewie jener Auswanderer aus der Ukraine, deren Bevölkerung seit Jahrzehnten totalitärer Gehirnwäsche unterzogen wurde, wo Kirchenverfolgung und Kirchenspaltung Staatspolitik und Rassismus gegenüber Russen, Juden, Deutschen und Polen in weiten Teilen, besonders der kirchenfernen Bevölkerungsgruppen, zur traurigen Tradition gehören?

Zwangsordnungen und Ordnungs-maßnahmen, generiert und umgesetzt außerhalb der gewählten Verfassungsorgane, führen zu massenhafter Diskriminierung zuerst von Alten, Kranken und Kindern, schließlich von Familien, sozialen Gruppen, freien und mittelständischen Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen und zuletzt ganzer Generationen.

Das 2020 – unter dem Deckmantel von medizinisch umstrittenen und arbeitsrechtlich nicht abgedeckten „Maskenverordnungen“, diversen „Corona-Maßnahmen“, lächerlichen PCR-Tests (90% falsch positiv) und frei komponierten „Inzidenzen“ – in allen Bundesländern erlassene Versammlung- und Ausgehverbot (für Nichtvakzinierte nach 22:00 Uhr, z. B. in Brandenburg noch im Frühjahr 2022) griff direkt in das Gesetz der Kirche zum uneingeschränkten Gottes-dienstbesuch ein.

Im Angesicht der drohenden Spal-tung der Gesellschaft, aber auch der Gemeinden selber und in der Anerkennung der Freiheit des Evangeliums der Persönlichkeit, über ihre Seele und damit über ihren Körper frei zu entscheiden, beschloss die russische orthodoxe Priesterversammlung der deutschen Diözese jedwede „3G, 2G oder 1G“-Regelungen abzulehnen, als „dem Geist des Evangeliums widersprechend“, sich dabei ausdrücklich auf die Lehre der Hll. Apostel berufend.

Weltweit wurde die Kirche von den ultraglobalistischen Pandemieprogrammen überrascht, überrollt und zum großen Teil zum Schweigen gebracht. Selbst in originär orthodoxen Ländern wie Griechenland wurden Bischöfe, die sich den Zwangsimpfungen und Lockdowns widersetzten, vor Gericht gezerrt, bedroht und erpresst, bis heute. In Russland selber spaltete sich die Gesellschaft und mit ihr die Kirche auf. Während der Patriarch, der ehemalige Leiter des Außenamts oder der landesweit populäre Metropolit Tikhon (Shevkunov) das Volk 2020 und 2021 in den Medien dazu aufriefen, nicht mehr die Kirchen zu besuchen und sich selbst den öffentlichen Maskeraden unterwarfen, blieben die große Menge der Diözesen (über 50%), die bekanntesten und die meisten Klöster dem Corona-Programm fern. Bischöfe protestierten zum Teil in Wort und Schrift öffentlich und markierten früh Verfassungsrechte und die Religionsfreiheit gegen die von keinem russischen Infektionsschutzgesetz gedeckten Maßnahmen. Dies aber war die Ausnahme.

Dabei soll es hier nicht um die Analyse der möglichen Hintergründe und Verursacher dieses weltweiten Umverteilungsprogramms im great reset gehen. Die Analyse ist durch zahlreiche Autoren, Wissenschaftler, Statistiker, Ärzte und Historiker bereits erfolgt. Vielmehr sollten wir uns fragen, ob es der Orthodoxen Kirche in Deutschland nicht gelingen könnte, mit Hilfe vor allem der Laien, der orthodoxen Ärzte, Rechtsanwälte, Wissenschaftler und Pädagogen, Volkswirtschaftler, Banker, Programmierer und Unternehmer und ihrer Ehepartner ein Wissenschafts- und Beratungsnetzwerk aufzubauen, welches für unsere Bischöfe und Priester, für die Diözesanräte als kompetente und vertrauenswürdige Quelle helfen könnte, die künftigen Herausforderungen zu bestehen.

Denn nichts wäre schlimmer, als aus den durchlebten Erfahrungen nicht gelernt zu haben, in Passivität zu verharren. Um später wieder nur überhastet und ohne Realitätsbezug einzig staatliche Zwangsmaßnahmen in das Gemeindeleben hinein zu transformieren oder schlimmer noch – in vorauseilendem Gehorsam sogar zu übersteigern.

Alternativen zu solchen Enttäu-schungen gibt es in verschiedenen Ländern in nicht geringer Zahl, wie z.B. das sog. „Orthodoxe Laienkonzil“ in Russland (Собор православных мирян), die deutsche „Stiftung Corona-Ausschuss“, die neben Ärzten, Rechtsanwälten und Wissenschaftlern 2020 auch orthodoxe Priester, Rabbiner, Katholiken und protestantische Pfarrer zu Gesprächen eingeladen hatte. Ein herausragendes Beispiel bürgerlichen Engagements von „Laien“ ist auch die Initiative „7Argumente“, eine Initiative von über 80 deutschen Wissenschaftlern, denen es didaktisch klug gelang, zu vielen dialogresistenten bzw. textüberfluteten Bundestagsabgeordneten durchzudringen und dazu beizutragen, die geplante verfassungswidrige Impfpflicht am Tag der Verkündigung der Gottesmutter 2022 zu kippen.

Transhumanistische Weltbilder werden, gesetzlich festgeschrieben, in allen Bereichen der Bildung, der Erziehung, der Kunst, Kultur und des Öffentlichen Lebens etabliert, propagiert und mittels direkter und indirekter Zwangsmaßnahmen umgesetzt: Gender Mainstreaming, Homoerotik-„Ehen“ und die Umkehrung der persönlichen Freiheit des Einzelnen zur totalitären Herrschaft Einzelner über das Volk und die Mehrheiten.

Nirgendwo mehr wird die Entfremdung von Kirche und Staat deutlicher als in der unterschiedlichen Position zu Fragen des Gender Mainstreaming, der staatlich legitimierten und propagierten Homoerotik (Eherecht und Adoptionsrecht) zuzüglich des dazu gehörigen LGBT-Programms. Das Problem ist nicht mehr wie einst die Diskursspannung (Patriarch Alexej II.: „Wir verurteilen die Homosexualität und lieben den Homosexuellen“, so bei seiner Rede im Europarat am 2.7. 2007) oder eine wechselseitige Kritik zwischen Kirche und homoerotischem Medien- und Politikestablishment. Es gibt hierzu schlicht keinen wissenschaftlich fundierten Dialog mehr!

Vielleicht ist nur noch die Ablehnung und Verurteilung von Kindstötungen im Mutterleib politisch noch spannungsgeladener als diese Fragen. Sie gehören jedoch zusammen. Insbesondere, weil gerade auch in den sogenannten orthodoxen Ländern wie Russland und Griechenland die Abtreibungsraten extrem hoch sind. So liegen sie in Russland offiziell bei einer Million, nach internen Zählungen von Ärzteverbänden wohl eher bei drei Millionen offiziell durchgeführten Tötungen – pro Jahr!

Dieser ethische Kulturkampf ist im Westen definitiv verloren, darüber sollte auch nicht der Beschluss des Supreme Court der USA vom Juni 2022 hinwegtäuschen: gekippt wurde nur das landesweite Recht, sprich der verfassungsmäßige Anspruch auf Abtreibung. Was schlicht nur eine Bestätigung der Hoheit von Landesrecht (des einzelnen US-Bundesstaates) über Föderalrecht darstellt.

Problematisch auch hier die aktuelle Entwicklung in den Schulen und gegenüber den Kleinsten.

Die Kooperationen zwischen Kirche und Staat auf dem Bildungs-sektor, vorbildlich geleistet zum Beispiel von der Deutschen Diözese der ROK mit der Einführung von orthodoxem Religionsunterricht in Bayern und Hessen, werden wohl kaum eine Zukunft haben. Zu schwierig ist hierfür die neueste geopolitische Entwicklung, zu groß sind die Entfremdungen zwischen den diversen Behörden und Ministerien und den orthodoxen Kirchen allgemein.

Doch welche Gemeindeinitiativen gilt es im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit zu fördern, welche Alternative kann die Kirche Eltern geben, die planen – zum Schutz ihrer Kinder vor transhumanistischer Indoktrination und frühsexueller Erziehung, vor Zwangsimpfungen und „Maulkorberlass“ selbst für die Kleinsten, vor Mobbing und seit neuestem Russophobie – das Land zu verlassen, um sich und ihre Kinder derartigen Diskriminierungen nicht auszusetzen?

Noch erfolgen die Angriffe auf die Kirche auch in Deutschland nur verbal, wenn auch massiv und offensichtlich politisch gewollt. Es ist zu erwarten, dass den Sanktionen und Angriffen gegen das Oberhaupt der ROK Kirche immer seltener widersprochen wird. Eher ist die Ausweitung dieser Medienpropaganda anlässlich des Ukrainekrieges im Zuge anhaltender Misserfolge der NATO-Strategie zu erwarten. Immer wieder ist es in den letzten Jahren zu öffentlichen Verleumdungen kirchlicher Hierarchen bei „politisch unkorrekten“ Stellungnahmen zu Fragen der Erziehung, der Familie oder der Ehe gekommen. Seit 2020 waren Kirchengemeinden Zwangsmaßnahmen und Strafzahlungen ausgesetzt. Seit 2022 kam es auch zu zahlreichen Übergriffen, zu Kirchenvandalismus, zu Abbrüchen von Dialogformaten oder gar zur Kündigung von Kauf- und Bauverträgen.

Die Erfahrungen aus den letzten Epochen der Diktaturen und Kriege des 20. Jahrhunderts sollten Warnung genug sein. Die massenweise Diskriminierung auch nationaler Bevölkerungsgruppen einschließlich Vertreibung und Gefangennahme hat weder in Deutschland, noch in der Sowjetunion, weder in Jugoslawien, noch in Serbien, Syrien oder der Ukraine, vor der Kirche, ihren Bischöfen und ihren Gemeinden halt gemacht.

Schweigen ist keine Sünde, hat einst ein Heiliger geschrieben, aber das Nichtzuhören. Die Sprache der Kirche ist das Gebet in ihrer liturgischen Fülle. Aber auch die Sprache der Konzile, der Theologie und Kanones, der Ikonen und der Predigt.

Um „Gott mehr zu gehorchen als den Menschen“, wie die Evangelisten und Apostel lehren und die Heiligen vorleben, scheint eine vorausschauende, systematische und lebendige Apologetik von wachsender Bedeutung – als Schutz und Hilfe für die Gläubigen, als Hilfe und Diskursangebot für unsere Mitbürger und sinnvoller Weise vielleicht als Sammlung für eine „Neue Soziallehre“ der Kirche – im Angesicht der Apostasie.

Der Artikel wurde publiziert in CRISIS 2 - Schwerpunkt CHRIST - KIRCHE - STAAT

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